016 | Die Dorflinde von Schernau
Der mächtige, knorrige Baum in der Ortsmitte von Schernau wurde 1595 gepflanzt und stellt heute als „älteste, noch grünende Dorflinde“ ein Allein- stellungsmerkmal im Landkreis dar.
Wohl seit dem 13. Jahrhundert spielten mainfränkische Dorflinden in den Dörfern eine zentrale Rolle in Bezug auf das rechtliche und soziale Zusam- menleben der Dorfgemeinschaft. Es ist davon auszugehen, dass besonders die Dorflinde als wichtige Institution des öffentlichen Lebens in nahezu jedem mainfränkischen Ort zu finden war. Ihre große gesellschaftliche Bedeutung wird auch dadurch deutlich, dass die Dörfer regelmäßig relativ hohe Summen in die Pflege und Instandhaltung ihrer Linden investierten.
Im Landkreis Kitzingen ist für insge- samt 30 Dörfer die Existenz einer Dorflinde durch Schriftquellen belegt.
Seit mehr als 400 Jahren wächst in der Ortsmitte des Dettelbacher Ortsteiles Schernau die Dorflinde. Der mächtige, knorrige Baum wurde 1595 gepflanzt und stellt heute als „älteste, noch grünende Dorflinde“ ein Alleinstellungsmerkmal im Landkreis Kitzingen dar.
Aus Ermangelung an Schriftquellen kann über die Entwicklungsgeschichte der mainfränkischen Dorflinden im Mittelalter wenig gesagt werden. Wohl seit dem 13. Jahrhundert spielten sie in den Dörfern aber eine zentrale Rolle in Bezug auf das rechtliche und soziale Zusammenleben der Dorfgemeinschaft. Es ist davon auszugehen, dass besonders die Dorflinde als wichtige Institution des öffentlichen Lebens in nahezu jedem mainfränkischen Ort zu finden war. Ihre große gesellschaftliche Bedeutung wird auch dadurch deutlich, dass die Dörfer regelmäßig relativ hohe Summen in die Pflege und Instandhaltung ihrer Linden investierten.
Für den Landkreis Kitzingen ist für insgesamt 30 Dörfer die Existenz einer Dorflinde durch Schriftquellen belegt. In Schernau ist der Baum bis heute an zentraler Stelle, dem 1595 genannten „Gemeindedorfsplatz“, erhalten geblieben.
Was charakterisiert eine Dorflinde?
Nicht jeder innerhalb einer Ortschaft zentral gelegene Lindenbaum ist auch eine Dorflinde. Für diesen speziellen Typus müssen bestimmte Merkmale gegeben sein. Zunächst muss die Linde „geleitet“ sein. Das heißt, der Baum muss mittels eines Holzgerüstes in eine bestimmte Form gebracht werden. Ein Gestell aus mehreren waagrechten und senkrechten Balken bestimmt den Wuchs des Baumes. Dabei konnten auch mehrere dieser Gestelle übereinander, also in mehreren Etagen übereinander angebracht werden. Der Schernauer „Lindenstuhl“ hatte, wie eine Aufnahme um 1900 zeigt, vier Etagen. Für die Stützen dienten meist Sockelsteine als Wiederlager. Im Falle der Schernauer Dorflinde ruhten die hölzernen Stützen auf einem rings um die den Baum geführten Mauerkranz, dem sog. „Geschwell“.
Welche Funktion hatte eine Dorflinde?
Die große Bedeutung innerhalb der Dorfgemeinschaft zeigt sich besonders an den hohen Instandhaltungs- und Pflegekosten, die von der Gemeinde für die Dorflinde aufgebracht wurden. Im Mittelalter hatte die Dorf- oder Gerichtslinde in erster Linie die Funktion einer Gerichtsstätte, also der Platz im Ort, an dem Gerichtstage abgehalten wurden. Auch als Versammlungsort der Dorfgemeinschaft, als Ort des gegenseitigen Austausches oder für Bekanntmachungen spielten die Dorflinden eine zentrale Rolle. Damit erfüllte der Baum eine wichtige öffentliche Aufgabe, die später von den ab Mitte des 16. Jahrhunderts mehr und mehr errichteten Rathäusern abgehlöst und übernommen wurde. Die Rathäuser nahmen zunehmend die öffentlich-rechtliche Funktion der Dorflinde ein, welche daraufhin mehr und mehr Bedeutung verloren. Teilweise wurden die Bäume zu Gunsten eines Rathauses auch gefällt, wie z.B. in Segnitz 1588, oder speilten nur noch als private Versammlungsorte und zwischenmenschliche Treffpunkte eine Rolle. Als Ort des Plantanzes an der Kirchweih konnten die Linden als sogenannte „Tanzlinden“ eine andere zentrale Funktion im Dorfleben für sich behaupten.
Die Tatsache, dass 1594 ein Schloss an die Rathausstiege angebracht wurde, belegt, dass in Schernau bereits im 16. Jahrhundert ein Rathaus existierte. Für die Dorflinde bedeutet dies, dass die 1595 gepflanzt Dorflinde wahrscheinlich schon nicht mehr als „Gerichtslinde“ gedacht war, sondern vielmehr Ort öffentlicher Vergnügungen, Zusammenkünfte und Ort des Kirchweihtanzes war. Ein Eintrag in der Bürgermeisterrechnung von 1606 bezeugt, dass dort der Plantanz abgehalten wurde: „6 Pfd 7 Pfg denjenigen für ein viertel Wein, zwey Weckh so die Linden ufm plan unndergesetzt und gebunden“.
Die Schernauer Linde ist im Landkreis Kitzingen mit ihren über 400 Jahren die älteste noch erhaltene und noch grünende Dorflinde. 1941 wurde sie als Naturdenkmal des Landkreises Kitzingen erfasst. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts traf sich die Dorfjugend an der Linde, die auch gerne als Hintergrund für Gruppenfotos herangezogen wurde. Seit einigen Jahren rückt der traditionsreiche Baum zum Osterfest wieder in den optischen Mittelpunkt des Dorfes.
Julia Müller-Halbleib M.A.
Quellen und Literatur:
Hüßner, Reinhard: Dorflinden im Landkreis Kitzingen. Eine Regionalstudie.
Voltz, Lothar: Ortsgeschichte Schernau, 2015.
Voltz, Erika: Schernau. Häuser erzählen ihre Geschichte, 2016.
S-R/952/1 ff. (Bürgermeisterrechnungen der Gemeinde Schernau ab 1579)
Autorin: Julia Müller-Halbleib M.A.
Wofür nutzte die Dorfjugend lange die Dorflinde für sich?
Als Ort für die Mittagspause
um Plakate anzubringen
als Hintergrund für Gruppenfotos
Was ist das besondere an der Dorflinde von Schernau?
sie ist die höchste Linde in Bayern
sie ist die älteste, noch grünende Dorflinde
sie blüht im Frühling blau
Wodurch wird die große gesellschaftliche Bedeutung der Dorflinde deutlich?
Dörfer investieren viel für die Pflege
Statue der Linde
durch das Dorflinden-Fest
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